Wichtige Rollverfahren und Werkzeuge
Fachthema Gewinderollen spannend erzählt ... Grundlagen, Verfahren, Werzeuge, Anwendungen von gerollten Hightech-Gewinden
Verschiedene Rolltechnologien
In der industriellen Praxis haben sich mehrere Rolltechnologien durchgesetzt. Schon in den Anfängen des Gewinderollens differenzierte man in Prozesse, die mit Rundwerkzeugen und Flachwerkzeugen (Flachbacken) arbeiten. Manchmal erfolgt die Unterteilung der Rollverfahren nach der Anzahl der eingesetzten Werkzeuge.
Bei der nachfolgenden Beschreibung der unterschiedlichen Rollverfahren für Hightech-Gewinde gehen wir lediglich auf allgemeine Sachverhalte ein.
Rollverfahren mit zwei Rundwerkzeugen,
symmetrisch oder asymmetrisch
Beim Gewinderollen mit zwei aussenprofilierten Werkzeugen rotieren die beiden angetriebenen Rollen gleichsinnig. Unterschieden wird in eine symmetrische und eine asymmetrische Variante. Bei der symmetrischen Variante fahren beide Werkzeuge auf das Rohteil zu, bei der asymmetrischen bleibt eines der (sich drehenden) Werkzeuge ortsfest, während sich das andere auf das Rohteil zu bewegt. Der grosse Vorteil der symmetrischen Variante liegt in der deutlich höheren Werkzeuglebensdauer.
Das Rohteil befindet sich immer zwischen den Rollwerkzeugen. Berührt das bewegte Werkzeug das (noch) stillstehende Rohteil, wird dieses durch den sich sehr schnell aufbauenden Reibschluss in Drehung versetzt. Im weiteren Verlauf bildet sich das Werkzeugprofil als Gewinde in dem Rohteil ab.
Einstechverfahren
Jedem Mechaniker ist das Einstechen beim Drehen bekannt: Der zugeführte Drehstahl sticht in das Rohteil ein und formt eine vorgegebene Geometrie. Beim Einstechverfahren fahren die beiden beweglichen Werkzeuge auf das Rohteil zu und stechen mit dem Profil ein. Die Werkzeuge haben Rillen mit dem Steigungswinkel des zu rollenden Gewindes.
Gewinderollen im Einstechverfahren: Die beiden Werkzeuge stechen mit der keilförmigen
Steigungsrille symmetrisch in das Werkstück ein
Sehr genaue, aber endliche Gewinde
Das Einstechverfahren erlaubt prinzipbedingt die Fertigung sehr genauer Gewinde. Der Nachteil liegt auf der Hand: Weil das Rohteil keinen Vorschub erfährt, ist die maximale Gewindelänge auf die Werkzeuglänge beschränkt.
Die Genauigkeit des Gewindes hängt weitgehend vom Werkzeug ab, das in mehreren Schritten gefertigt wird. Das Werkzeugprofil wird am häufigsten durch Schleifverfahren hergestellt. Um den Verzug der Wärmebehandlung zu eliminieren, erfolgt das Schleifen erst nach dem Härten. Die Oberflächenbeschaffenheit des Rollenprofils ist entscheidend für die Qualität der erzeugten Gewinde.
Für die Werkzeuge verwenden deren Hersteller – es handelt sich um Spezialfirmen – hochwertigen Werkzeugstahl. Die meisten Produzenten ziehen spezielle Legierungen vor, bieten die Werkzeuge aber zum Teil auf Wunsch auch aus anderen Materialien und mit unterschiedlichen Wärmebehandlungen an.
Durchlaufverfahren
Die beiden Werkzeuge für das Durchlaufverfahren tragen an ihrem Umfang mehrere Rillen ohne Steigung, die kreisförmig um das Werkzeug verlaufen. Die beiden waagrecht in der Maschine liegenden Rollen werden gegenläufig um ihre horizontale Querachse geneigt, und zwar jeweils um den Steigungswinkel des zu rollenden Gewindes. Wird das vordere Ende der rechten Rolle nach unten und das der linken nach oben geschwenkt, entsteht ein Rechtsgewinde, umgekehrt ein Linksgewinde.
Abb. 20: Gewinderollen im Durchlaufverfahren: Deutlich ist die Schrägstellung der
beiden steigungslosen Werkzeuge zu sehen
Durch das Schwenken der Werkzeuge erfährt das Rohteil beim Kraftschluss auch eine Bewegung in der horizontalen Achse nach vorn (Kräfteparallelogramm!). Damit läuft das sich drehende Rohteil durch die Maschine hindurch – die Durchlaufgeschwindigkeit ist über die Rotationsgeschwindigkeit der Rollen beeinflussbar.
"Unendliche Gewinde"
Der Vorteil des Durchlaufverfahrens liegt darin, ein (theoretisch) unendlich langes Gewinde fertigen zu können. Die Länge hängt letztlich nur von der Länge des Rohteils ab. Allerdings ist eine im Vergleich zum Einstechverfahren etwas geringere Masshaltigkeit in Kauf zu nehmen.
Für das Durchlaufverfahren mit zwei steigungslosen Werkzeugen muss die Maschine mit schwenkbaren Rollspindeln ausgerüstet sein.
Ein Werkzeugpaar für verschiedene Kerndurchmesser
Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass der Gewindehersteller mit einem einzigen Werkzeugpaar – von einigen Beschränkungen abgesehen – die gleiche Steigung auf Werkstücke verschiedenen Durchmessers rollen kann. Sind jedoch sehr enge Gewindetoleranzen gefordert, kann es sein, dass man dennoch für jede Materialcharge ein eigenes Werkzeug herstellen muss.
Die Wahl des Materials für Durchlaufwerkzeuge entspricht der für Einstechwerkzeuge. Die Rillen werden durch Schleifen und neuerdings vermehrt auch durch Hartdrehen mit Sonderplatten aufgebracht. Weil ein axialer Vorschub stattfindet, weisen die Werkzeuge – analog den drei Phasen des Rollvorgangs – drei Zonen mit unterschiedlichem, Aussendurchmesser auf: Einlaufzone, eine Kalibrierzone und eine Auslaufzone.
Abb. 21: Schematische Darstellung eines Werkzeugs für das Durchlaufverfahren:
a Druchmesser der Kalibrierzone
Der Übergang von der Einlaufzone zur Kalibrierzone entscheidet darüber, ob die Werkzeuge die geforderte Lebensdauer erreichen. Durchlaufwerkzeuge verschiedener Hersteller unterscheiden sich in diesem Detail relativ stark. Sind "schwierige" Grundmaterialien zu rollen, wird empfohlen, den Rat des Werkzeugherstellers einzuholen.
Teilkorrigiertes Durchlaufverfahren
Das teilkorrigierte Durchlaufverfahren ist eine Kombination aus dem Einstech- und dem Durchlaufverfahren. Das Einstechverfahren steuert die Steigung auf den Werkzeugen bei, vom Durchlaufverfahren wurde die Schwenkbarkeit der Rollspindel übernommen. Die Profilsteigung der Werkzeuge ist nicht identisch mit der Steigung des zu rollenden Gewindes. Die Winkeldifferenz wird, wie beim Durchlaufverfahren beschrieben, durch Neigen der Rollspindeln ausgeglichen. Gewinderollwerkzeuge für das teilkorrigierte Durchlaufverfahren verfügen ebenfalls über eine Einlauf-, Kalibrier- und Auslaufzone.
Grosse Steigungen
Mit dem teilkorrigierten Durchlaufverfahren lassen sich erheblich grössere Steigungen erzielen als beim reinen Durchlaufverfahren. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Das Gewinde muss einen Steigungswinkel von 15° haben. Eine Rollspindel für das Durchlaufverfahren lässt sich aber im besten Fall um 5° schwenken. Um die geforderten 15° zu erreichen, erhalten die Werkzeuge eine Profilsteigung von 10°, die fehlenden 5° stellt man auf der Maschine ein.
Abb. 22: Gewinderollen im teilkorrigierten Durchlaufverfahren: Die Werkzeuge besitzen
eine Steigungsrille und werden zusätzlich geneigt.
Das Rohteil erfährt wie beim Durchlaufverfahren während des Umformens eine Axialbewegung. Die Lebensdauer der Rollen hängt in hohem Masse von der Werkzeugkonstruktion und vom Material des Rohteils ab.
Durchlaufverfahren mit korrigierten Werkzeugen
Das Durchlaufverfahren mit korrigierten Werkzeugen erlaubt es, mit einer Maschine ohne schwenkbare Rollspindeln im Durchlaufverfahren zu arbeiten. Es empfiehlt sich allerdings auch nur dann, wenn keine Maschine mit schwenkbaren Rollspindeln zur Verfügung steht.
Das Durchlaufverfahren mit korrigierten Werkzeugen ist dem teilkorrigierten Durchlaufverfahren ähnlich. Der Steigungswinkel der Werkzeugprofile ist entweder grösser oder kleiner als der des Gewindes. Anders als beim teilkorrigierten Durchlaufverfahren ist jedoch eine Korrektur der Steigung durch Schwenken der Rollspindeln nicht möglich. Der Nachteil liegt daher darin, dass man Steigungsfehler in Kauf nehmen muss.
Rollverfahren mit drei oder mehr Werkzeugen
Das Gewinderollen mit drei oder mehr angetriebenen Werkzeugen ist stets eine von den beschriebenen Verfahren mit zwei Rollen abgeleitete Methode. In der Regel werden drei Rollen verwendet, die in Winkeln von 120° zueinander symmetrisch um das Rohteil angeordnet sind. Wie beim Einstech- und Durchlaufverfahren wird das Rohteil durch die Werkzeuge zentrisch erfasst und in Drehung versetzt. Das Mehrrollenprinzip macht Auflagelineale und Haltevorrichtungen überflüssig.
Abb. 23: Gewinderollmaschine mit drei Werkzeugen
Geeignet für Rohre und Hohlteile
Es wird hauptsächlich bei Rohren und Hohlteilen angewendet. Der Nachteil liegt im hohen Investment für die Maschine und Werkzeuge.
Ergänzende Rollverfahren
Die wichtigsten Rollverfahren für Hightech-Gewinde – speziell für Gewindespindeln – sind das Einstechverfahren, das Durchlaufverfahren und das teilkorrigierte Durchlaufverfahren. Um interessierten Lesern einen möglichst umfassenden Überblich über die industriell genutzten Gewinderollverfahren zu verschaffen, werden nachfolgend weitere Verfahren mit den zugehörigen Werkzeugen beschrieben, allerdings ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Querrollen mit zwei Flachwerkzeugen
Kennzeichnend für das Querrollen sind zwei sich gegenüberliegende Flachwerkzeuge (Flachbacken), die sich mit dem rotierenden Rohteil in Eingriff befinden. Während des Gewinderollens bewegen sie sich in der Regel gegenläufig am Rohteil vorbei. Es gibt auch eine Variante, bei der eine Flachbacke in der Maschine fest ist, während sich die zweite Flachbacke – auf einem Schlitten befestigt – am Werkstück vorbei bewegt. Dieses Verfahren hat seinen Platz in der Massenfertigung – z.B. von Normschrauben – und bei geringen Anforderungen an die Genauigkeit gefunden. Es ist ein Standardverfahren, dessen Möglichkeiten jedoch ausgereizt sind.
Abb. 24: Flachwerkzeuge
Gewinderollen mit der Segmentrolle
Beim Gewinderollen mit der Segmentrolle drücken drei im Maschinenkörper feststehende Gewindesegmente mit einer Einlauf- und Auslaufzone das rotierende und durchlaufende Rohteil gegen einen sich drehenden Gewindering. Der Vorteil dieses Gewinderollverfahrens besteht in der gleichmässigen Drehbewegung des auf der angetriebenen Welle sitzenden Gewinderings.
Abb. 25: Segmentrolle mit drei Segmenten und einem Gewindering
Gewinderollen mit Rollköpfen
Das Gewinderollen mit Rollköpfen ist ein recht häufig eingesetztes Verfahren, wenn Gewinde auf einer Drehmaschine zu fertigen sind. Es werden nicht angetriebene Werkzeuge eingesetzt. Die Drehbewegung des Rohteils wird von der Werkzeugmaschine erzeugt. Diese Herstellungsart ist sehr wirtschaftlich. Es können Drehteile auf Automaten – inklusive der Gewinde – komplett gefertigt werden, also ohne Nacharbeit (Décolletage).
Gewinderollen mit Gewinderolleisen
Aufgrund seiner kompakten Bauform ermöglicht das Gewinderolleisen die spannlose Herstellung von Gewindebolzen auch bei engsten Platzverhältnissen, z.B. im Zerspanraum einer Werkzeugmaschine. Die herstellbare Gewindelänge wird durch die Werkzeugmaschine begrenzt. Nach dem Rollvorgang muss das Gewinderolleisen im entstandenen Gewinde zurückgedreht werden.
Man unterscheidet zwischen verstellbaren und nicht verstellbaren Werkzeugen. Verstellbare Gewinderollleisen stellt man mit Hilfe einer Haltevorrichtung ein. Das Gewinderollen mit verstellbaren Rolleisen hat einen nicht unwesentlichen Vorteil im allgemeinen Maschinenbau: Ohne spezielle Rollmaschinen ist der Einsatz verstellbarer Rolleisen äusserst wirtschaftlich und daher bei kleinen und mittleren Serien zu empfehlen. Im Fall von nicht verstellbaren Gewinderolleisen ist es besonders wichtig, die Gewindetoleranten und den Werkstoff bereits im Vorfeld festzulegen. Nicht verstellbare Rolleisen eignen sich für grössere Serien.
Abb. 26: Gewinderolleisen
Dienstleister in der Entwicklung
Mit modernsten Fertigungsmethoden, langjährigem Know-how und unserem Werkzeugbestand von über 1000 Rollwerkzeugen realisieren wir gerollte Gewinde, die selbst aussergewöhnlichste Anforderungen erfüllen:
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- Spindellängen bis zu 6 m
- Spindeldurchmesser von 2 bis 160 mm
- Sämtliche Normprofile (M, Tr, UNC, UNF, UNEF, Whitworth)
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- Steilgewinde-Profile
- Kugelgewinde-Profile
- Sonderprofile
- Schneckenprofile (besondere Qualitäts- und Preisvorteile!)
- Kerbverzahnungen und Rändelungen
- Konische Gewinde
- Gewinde auf vorgefertigten und/oder unförmigen Teilen, z. B. auch auf Schmiedeteilen
In den 9 Blogs sind Auszüge aus der - Bibliothek der Technik -, Band 286, Gewinderollen, enthalten.
Dieses Buch wurde mit fachlicher Unterstützung von Kurt Husistein erarbeitet und vom Verlag Moderne Industrie veröffentlicht, ISBN 978-3-937889-30-6.
Literatur und Quellen
Kübler, Karl-Heinz, Mages Walter J. Handbuch der hochfesten Schrauben, 1. Aufl. Essen: W. Girardet Buchverlag, 1986.
http://www.hp-gramatke.de: Hans-Peters Mathematisch-Technisch-Algorithmisch-Linguistisches Sammelsurium.Verein Deutscher Eisenhüttenleute (Hrsg.): Werkstoffkunde Stahl, Bd. 1 Berlin: Springer, 1984. Apel, Heinz: Gewindewalzen: Kaltverformen von Präzisionsgewinden und Spindeln, München: Hanser 1952.
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Abbildungen: Nr. 1, 23-25 RWT Rollwalztechnik GmbH, Engen; Nr. 2 Foto Deutsches Museum, München; Nr. 3 Musée du tour automatique et d'histoire de Moutier, Moutier (Schweiz); Nr. 16 Fette GmbH, Schwarzenbek; Nr. 18 Meinrad Plaz, Staufen (Schweiz); Nr. 26 Habegger SA, Court (Schweiz); Nr. 34-36 FBT Fahrzeug- und Maschinenbau AG, Thörigen (Schweiz); Nr. 37, 38 Schleuniger AG, Thun (Schweiz); Nr. 39, 40 Max-Planck-Institut für Physik (Heisenberg-Institut), München; Nr. 41 Saurer AG, Arbon (Schweiz); Nr. 42 Line Tech AG, Glattbrugg (Schweiz); alle übrigen Eichenberger Gewinde AG, Burg (Schweiz). Satz: abavo GmbH, D-86807 Buchloe. Druck und Bindung: Sellier Druck GmbH, D-85354 Freising. Printed in Germany 889030.